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Franz Schubert
WINTERREISE
Jonas Kaufmann, Helmut Deutsch
Sony CD______________________________ (71]
C D s
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NEUES AUS
Es suggeriert Jugendlichkeit, die
von der Last des Lebens gleich-
wohl gezeichnet ist. Jonas Kauf-
mann vermutet beim „Wanderer“
sogar einen latenten Wahnsinn,
während Klavierbegleiter Helmut
Deutsch die Stimmung im „Leier-
mann“ weniger pessimistisch deu-
tet. Diese leicht kontroversen Ein-
schätzungen gehen musikalisch
durchaus zusammen, die Domi-
nanz der Stimme entscheidet zu-
letzt aber wohl doch für die Auffas-
Mit Kapuze über seinem Locken-
kopf sieht Jonas Kaufmann fast
aus wie William von Baskervil-
le im Film „Der Name der Rose“.
Einmontiert in das Foto zu Franz
Schuberts „Winterreise“ ist eine
weiße Krähensilhouette. Über CD-
Cover wäre nicht zum ersten Mal
zu richten. Immerhin ist keine Ent-
gleisung zu beklagen wie bei Mar-
schners „Vampyr“ (Capriccio), ei-
ne WDR-Aufnahme mit Kaufmann,
die unter anderem zeigt, dass die
baritonale Färbung seiner Stim-
me nicht von Anfang an so prä-
gend vorhanden war. Der „Win-
terreise“ kommt das individuelle
Timbre des Sängers ausgespro-
chen zugute.
DER MUSIKWELT
sung des Sängers, der bei „wun-
derlicher Alter“ schauernd-fahle
Töne findet und das Wort „dre-
hen“ wie verzweifelt crescendiert.
Jonas Kaufmann verfügt über ei-
ne beispielhafte Diktion, die je-
doch frei von Manierismen ist. Sie
lässt (wie kürzlich auch eine Sen-
dung des WDR-Orfeo-Opernstu-
dios) einen wirklich denkenden
Sänger erkennen, der über seiner
intelligenten Wortbehandlung je-
doch nie das Schubert’sche Me-
los aus den Augen verliert. Diese
Symbiose macht ja nicht zuletzt
den Ausnahmerang seiner Wag-
ner-Interpretationen aus. Insofern
ist bei der Schubert-Aufnahme von
wahrhaft erfülltem Schöngesang
zu sprechen. Helmut Deutsch geht
auf die nuancierende Darbietung
mit großer Subtilität ein. Eine Auf-
nahme, die auch emotional be-
klommen macht.
Christoph Zimmermann
MUSIK ★ ★ ★ ★ ★
KLANG ★ ★ ★ ★ ★
Berührt mit erfülltem
Schöngesang: Jonas Kaufmann
Ludw ig van Beethoven
[ÿ
KLAVIERKONZERTE NR. 2 *4 ~
Leif Ove Andsnes, Mahler Chamber Orchestra
Sony CD______________________________(63]
lässt Erinnerungen an den alten
Wilhelm Kempff wach werden, wäh-
rend die architektonische Durch-
dringung und die perfekt ausge-
führten Verzierungen an Andsnes’
Vorbild Arturo Benedetti Michelan-
geli denken lassen. Auch die su-
perbe Aufnahmetechnik lässt kei-
ne Wünsche offen. Spätestens jetzt
ist Andsnes im Pianistenolymp an-
gekommen.
mfv
Leif Ove Andsnes und das Mahler
MUSIK ★ ★ ★ ★ ★
Chamber Orchestra haben sich vor-
KLANG ★ ★ ★ ★ ★
genommen, das Klischeebild des
heroischen Beethoven, der grimmig
das Schicksal an die Pforte klopfen
lässt, zu zerstören. Es ist ihnen ge-
lungen. Selten lassen sich die Kla-
vierkonzerte außerhalb der Histo-
rischen-Aufführungspraxis-Sze-
ne so schlank, durchsichtig und
rhythmisch federnd hören, wie in
dieser Einspielung. Dadurch, dass
Andsnes selbst vom Flügel aus di-
rigiert, erreicht das Zusammenspiel
mit dem Orchester eine Intensität
und Spontaneität, die ihresglei-
chen sucht. Die Tempi sind ausge-
wogen, und der Nuancenreichtum
von Andsnes’ Piano- und Pianissi-
mo-Spiel im berühmten „Andan-
te con moto“ des vierten Konzerts
Diverse Kom ponisten
IN 27 PIECES
Hilary Hahn, Cory Smythe
DG/Universal 2 CDs
(110)
27
Encores hat Hilary Hahn in Auf-
trag gegeben, deren stilistische
Bandbreite von lyrisch-atmosphä-
risch wie in den Kompositionen von
Rautavaara bis hin zu einem fast
kabaretthaften Humor in Turnages
„Hilary’s Hoedown“ reicht. Wie ge-
wohnt spielt sie mit traumwandle-
rischen manuellen Fähigkeiten und
einer perfekten Phrasierung und
bemüht sich zudem, jeder der Pe-
titessen einen möglichst eigenen
Charakter zu geben - bei der kur-
zen Spieldauer der Stücke wahr-
lich keine leichte Aufgabe. Als Be-
reicherung des Encore-Repertoires
um zeitgenössische Kompositionen
eine gelungene Idee.
bj
0
MUSIK -
KLANG ★ ★ ★
M ieczyslaw W einberg
Щ
SONATE N R .}, SONATINE U . I
Gidon Kremer, Daniil Grishin, Kremerata Baltica
ECM/Universal 2 CDs___________________ [100]
Es war Gidon Kremer, der durch sein
beharrliches interpretatorisches En-
gagement Komponisten wie Schnitt-
ke oder Schulhoff wieder ins Ge-
spräch brachte. Und Gleiches gelingt
ihm nun auch mit Mieczyslaw Wein-
berg (
1919
-
1996
), der freilich seit der
Uraufführung der Oper „Die Passa-
gierin“ während der Bregenzer Fest-
spiele
2010
einem breiteren Pub-
likum bekannt geworden ist. Sie er-
folgte immerhin erst
50
Jahre nach
ihrer Komposition!
Die hier auf bestem Niveau ein-
gespielten Werke erweitern unsere
Kenntnisse seiner Instrumentalmu-
sik. Die dem Andenken an den Vater
gewidmete Sonate Nr.
3
für Violine
solo gibt sich unspektakulär, und
es bedarf schon der reichsten Inter-
pretationskunst Kremers, diese Me-
ditation in unaufdringlich-ergreifen-
de, dabei schlicht, aber intensiv wir-
kende Musik zu verwandeln. Kremer
spielt sie wie ein sich gleichsam wie
von selbst fortspinnendes Werk, das
dem jeweils Erklingenden gewisser-
maßen nachzulauschen scheint. Un-
aufdringlich geben sich auch das
Concertino, die Sonatine und das
Trio: eingängige, leicht auffassbare
Musik, grundiert aber von einer Me-
lancholie und Schwermut, die lär-
mende Fröhlichkeit nicht aufkom-
men lässt. Im Trio klingen auch In-
tonationen jüdischer Musik an, die
jedoch kaum ganz manifest werden.
Und in dieser resignativ wirken-
den Unterdrückung von Emotiona-
lität wird auch ein Unterschied zur
Musik von Schostakowitsch spür-
bar, der Weinberg grundsätzlich zu-
tiefst verpflichtet blieb. In der zehn-
ten Sinfonie für Streichorchester mit
ihren suitenhaft gereihten sechs
Sätzen machen sich sogar Einflüs-
se von Honegger bemerkbar. Diese
Sinfonie gibt den Stimmführern der
Instrumentengruppen auch vielfäl-
tige Gelegenheiten zu solistischem
Spiel, das sie bravourös bewältigen.
Giselher Schubert
MUSIK ★ ★ ★ ★ ★
KLANG ★ ★ ★ ★ ★
140 STEREO 5/2014
★ ★ ★ ★ ★ hervorragend I ★ ★ ★ ★ sehr gut I ★ ★ ★ solide I ★ ★ problem atisch I ★ schlecht
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